next exit south america

Marokko 2011

Man(n) bat mich: „Schreib doch mal was über Marocco.“

Wie komme ich dazu, über Marocco zu schreiben, wo ich doch eigentlich nur nach Andalusien fahren wollte? Naja, hatte wohl auch im wahrsten Sinne des Wortes mit der Großwetterlage zu tun, aber ich will mich nicht rausreden. Also: was war los?

Die Anfahrt

Nach den üblichen (?) Vorbereitungen (u.a ein geländetaugliches Motorrad für mich kaufen, einfahren und mit Koffern, Geländebereifung und etwas Kleinkram ausstatten sowie einen Anhänger für den Transport kaufen), geht’s am Samstag erst mal mit Auto & Hänger & Mopeds drauf los. Etwa 2 1/2 tausend Kilometer Richtung Südwesten, grobes Ziel ‚Granada‘ – macht mit Hänger etwa zweieinhalb Tage, aber nach zwei Tagen haben wir die Faxen dicke und bleiben in einem kleinen Touristenort nördlich von Almeria hängen. Vor hier aus sind’s noch knapp fünfhundert Kilometer bis nach Gibraltar, aber das passt schon.

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In Spanien angekommen

Auf einem ziemlich leeren Campingplatz breiten wir unseren Fuhrpark aus, sortieren uns und unser Gepäck, bauen das Zelt auf und machen die Motorräder fahrbereit. Zunächst mal wird von dort aus die Sierra Nevada ein wenig erkundet, erste Offroad-Einlagen führen gleich am ersten Tag zu Stürzen und Macken an meinem schönen, neuen Motorrad, mir selbst ist aber abgesehen von vorübergehender Schnappatmung nix passiert. Und am Moped sind keine wichtigen Teile betroffen, ist also auch kein Problem – bei Gelegenheit mal ein bisserl schmirgeln, etwas Lack hier und da und alles ist wieder gut …

Leider ist das Wetter eher gemischt, und selbst wenn zwischendurch immer wieder die Sonne scheint, so ganz überzeugt es uns nicht. Dienstag Abend scheinen die Aussichten noch schlechter zu werden. Nein, wir wollen kein zweites Norwegen, wir wollen SONNE! Also werden konkrete Pläne geschmiedet, kurzfristig nach Afrika überzusetzen – immerhin scheint in Marocco doch IMMER die Sonne, oder?

 

Der Fuchs

In einem kleinen Zwischenspiel bekommen wir in dieser Nacht noch Besuch von einem Feinschmecker-Fuchs, der sich ungemein für die Überbleibsel von unserem Abendbrot interessiert. Die Mülltüte mit der Käserinde und anderen Resten unseres Aufenthalts hab ich in Griffhöhe an einen Metallpfosten nah beim Zelt geknotet. Nachdem bei uns dann Ruhe eingekehrt ist, hören wir erst leises Geraschel auf dem Kies und dann ein Klappern, als eine leere Plastikflasche in der Mülltüte an den Metallpfosten schlägt. Einmal ‚klong‘ … noch einmal … ‚klong, klong‘ … und wir begreifen, dass da draußen irgendwas abgeht. Ich selbst lass mich ja nur sehr ungern im Schlaf stören, aber Torsten will wissen, was los ist, und wirft zunächst einen Blick und dann kleine Steine nach draußen – wovon sich der Fuchs scheinbar auch beeindrucken lässt, denn er verzieht sich. Kaum ist bei uns im Zelt wieder Ruhe eingekehrt, und das Sandmännchen ist zum zweiten Mal an diesem Abend so gut wie erfolgreich, hören wir den kleinen Räuber wieder, wie er leise rumtapst und dann auch wieder die Plastikflasche am Pfosten. Klong … klapper … taps, taps … klapper … jetzt sind wir beide zu faul, uns weiter mit ihm zu beschäftigen, zumal wir ihn offensichtlich immer nur zeitweilig verjagen können … also warten wir ab. Er wird uns in unserem Zelt wohl nicht fressen wollen … Nach einigen Minuten hört das Klappern der Plastikflasche auf, stattdessen hört man ihn in der Tüte suchen und letztlich dann auch genussvoll schmatzen. Nachdem er sich gütlich getan hat, hört man ihn weiter ziehen und ich kann noch eben einen kurzen Blick auf seine schmalen Beinchen erhaschen, die keinen Meter entfernt am Kopfende des Zeltes vorbei tapsen. Am nächsten Morgen können wir dann auch SEHEN, was er getrieben hat: er ist so lange unter der Mülltüte hoch gesprungen und hat sich in ihr festgebissen, bis diese aufgerissen ist und die für ihn interessanten Teile heraus gefallen sind. Solche Showeinlagen kriegt man eben nur beim Camping geboten!

Auf dem Weg nach Marocco

Gut, nachdem ich den Müll wieder eingesammelt habe, wird also ein Stellplatz für unser zweispuriges Gespann organisiert, die Koffer werden gepackt und am Mittwoch Morgen der Weg nach Gibraltar angetreten. Nach einer weiteren Übernachtung sozusagen am Wegesrand und weiteren Regeneinlagen zwischen den Sonnenstunden, halten wir am nächsten Morgen an einer Straßenbude an, um Fährtickets zu kaufen. Vor uns vier Briten, die ebenfalls Tickets kaufen. Die Herren kommen ins Gespräch und man tauscht sich aus. Ohne uns dessen jetzt schon bewusst zu sein, haben wir unsere Reisebegleiter für die nächsten zehn Tage gefunden: James, Jim, Geoff und Tom, alle vier mit verschiedenen BMWs unterwegs, dick bepackt mit Alu-Koffern, z.T. auch Topcases, und in all diesem Gepäck voll ausgestattet, wie wir später noch feststellen werden. Wir kaufen nach einem Tip von Jim – dem Senior der Truppe – auch Tickets für die Schnellfähre nach Tanger und schließen uns an.

Wie so oft ist es auf der Fähre voll, die Motorräder werden in den Lücken zwischen Autos eingewiesen. Für mein Gerät findet sich zwar schnell ein Platz, aber erst nach mehreren Standortwechseln auch eine Möglichkeit, sie auch wirksam zu vertäuen. Und dann ackern zwei (oder gar drei?) erwachsene Männer mit allen Kräften und meiner Unterstützung daran, mein englisches Eisen auf den Hauptständer zu wuchten. Torsten amüsiert sich köstlich …

Auf dem Passagierdeck geht es nach dem Hin und Her beim Vertäuen dann auch gleich weiter: es bildet sich zügig eine Schlange für die Einreiseformalitäten, französischsprachige Formulare für Person und Motorrad müssen ausgefüllt werden. Während ich mich im Standby-Modus in die Schlange einreihe, kommt Torsten mit den Briten ins Parlieren. Es stellt sich heraus, dass wir etwa gleiche Vorstellungen für die Ziele der bevorstehenden Tour durch Marocco haben, und damit ist klar, dass wir zumindest mal die ersten Kilometer zusammen angehen.

Tag 1 in Marocco

Wir kommen auf der afrikanischen Seite der Straße von Gibraltar an, zwischendurch sieht es so aus, als hätten wir tatsächlich das schlechte Wetter hinter uns gelassen – ein Trugschluss, wie wir wenig später sehr deutlich feststellen. Wir stehen einige Zeit bei den Zoll-Formalitäten, man kann nicht so genau sagen, wie lange es dauern wird, und es gibt auch keine Schlange im eigentlichen Sinn. Ein Beamter sammelt die Formulare für die Motorräder ein, verschwindet damit und taucht irgendwann später mit Stempeln auf den Papieren wieder auf. Uns wird klar gemacht, dass wir die Zollformulare für das Motorrad für die Ausreise wieder brauchen werden – also nicht verbummeln! Irgendwie zieht aber derweil schon wieder schlechtes Wetter auf. Als wir endlich durch den Zoll sind, löst sich die Gruppe kurz auf, um Geld zu tauschen. Es fängt wieder an zu regnen. Hurra, dabei dachte ich, in Marocco mehr zu schwitzen, als mir Regentropfen vom Visier zu wischen. Und, wie wir das so oft schaffen, bin ich dann schon auf der Schnellstraße nach Tanger, die anderen noch am Hafen. Ich stehe genervt im Regen und warte … und dann … als wir wieder alle beisammen sind, kommen wir auch endlich in Bewegung. Hurra, nur schnell aus diesem Mistwetter weg! Es hat sich rauskristallisiert, dass Torsten wohl der ‚Anführer‘ sein wird. Er fährt mit Navigation vor, nachdem man sich auf ein Ziel und einen groben Weg geeinigt hat. Am ersten Kreisverkehr biegt er von der Hauptstraße in einen besseren Feldweg ab. Ursprünglich war der Weg wohl mal asphaltiert, davon ist aber nicht mehr viel übrig. Schlaglöcher ohne Ende und eine Menge loser Erde, die sich im Regen gerade nach und nach in eine Schlammpiste verwandelt. Hmm, denk ich, das kann ja heiter werden, wenn die Straßen hier alle so aussehen. Aber: tapfer sein, erst mal probieren. Wenn die anderen da durch kommen, muss ich das doch auch irgendwie schaffen. Ich lass mir Zeit, schaue mir nicht an, was die Herren vor mir treiben und suche mir meinen eigenen Weg über diese Piste. Nach einigen Kilometern wird auch wieder eine anständige Straße daraus – und außerdem habe ich gemerkt, dass die diesjährige Kombination (mein Motorrad, die Bereifung und ich) wohl gar nicht so übel sind. Jedenfalls muss ich nicht schnappatmen und mehr Pausen als die anderen brauche ich auch nicht. So weit also alles gut.

Plan ist eigentlich zu diesem Zeitpunkt noch, möglichst schnell das Rif-Gebirge zu überqueren und dort keinen längeren Stopp einzulegen. Torsten hat seit seinem letzten Trip nach Marocco schwere Vorbehalte gegen diese Gegend, außerdem wird jenseits des Gebirges sicher auch das Wetter besser sein! Damit müssten wir am ersten Tag auf maroccanischem Boden mindestens 250 km machen …

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Als wir am späten Nachmittag nach einem Hotel suchen, haben wir aber nur ziemlich genau 100 km geschafft, wir sind in Chefchaouen – mitten im Rif-Gebirge! Wie kommt‘s? Nun, es regnet eben! Immer mal wieder und auch schon den ganzen Tag. Und die Einheimischen erklären uns außerdem, dass es seit zwei oder drei Monaten nicht geregnet hat. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Ich erinnere mich noch an die Vorbereitung für meine Führerscheinprüfung (für‘s Auto) vor gut zwanzig Jahren. Unser Fahrlehrer hat damals davor gewarnt, wenn es lange trocken war und dann anfängt zu regnen, bilde sich ein schmieriger, glitschiger Film, dann müsse man sehr vorsichtig fahren. Seit gut 20 Jahren habe ich darauf gewartet, diesen Effekt mal zu spüren zu bekommen … JETZT weiß ich, wie sich‘s anfühlt. Und nicht nur ich bekomme es zu spüren: auf dem ganzen Weg sehen wir alle paar Kilometer Autos, Geländewagen, LKW und Busse im Straßengraben liegen. Scheinbar ist nirgendwo was Dramatisches passiert, aber es ist schon erschreckend, wenn selbst die Einheimischen mit dem Regen nicht klar kommen.

Am übelsten hat es Torsten getroffen, seine KTM ist bei diesen Bedingungen wohl besonders schlecht zu beherrschen. Nach den ersten recht langsamen Kilometern fährt er rechts ran und prüft seinen Reifendruck, weil er sich sein ungutes Gefühl auf der Straße nicht erklären kann. Aber der Druck ist in Ordnung. Nach weiteren Kilometern fährt er wieder rechts ran und prüft die Lenkung. Da es zwischendurch immer mal wieder aufhört zu regnen, gibt es wohl auch ‚gute‘ und ’schlechte‘ Abschnitte, was eine Ursachenforschung erschwert. Naja, letzten Endes fahren wir hochkonzentriert mit 30 – 40 km/h durch die Gegend, wenn es das Wetter und die Straße hergeben, auch mal schneller. Aber für mehr als 100 km reicht es am Ende des Tages so gar nicht.

Wir suchen uns ein Hotel, und zum ersten Mal dürfen wir erahnen, was die Briten alles vorbereitet und mitgenommen haben: eine Liste von ‚recommended hotels in Morocco‘ mit Geo-Koordinaten. Zusammen mit einem Garmin und Torstens Zielstrebigkeit (nein, ich hab nicht von Dickkopf gesprochen!) eine äußerst gelungene Kombination! Der Abend klingt mit einem Bier in einer etwas zwielichtigen Bar und einer grandiosen ‚Tajine‘ mit Rotwein in einem klasse Restaurant aus – sieht so aus, als würden wir uns alle prima vertragen, es werden auf englisch Witze gemacht und Geschichten erzählt, unser Kauderwelsch stört keinen!

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Exkurs: Die Tajine

Die ‚Tajine‘ ist eigentlich nur ein Tontopf, in dem verschiedenste Zutaten quasi als Eintopf gegart werden. Ich würde es der Einfachheit halber mit etwas wie unserer ‚Terrine‘ gleichsetzen. Die Tajine hat einen spitzen Deckel, so dass man einen ziemlichen Berg an Zutaten einfüllen kann. Der geschlossene Topf wird zum Garen auf ein passendes Kohlebecken gestellt und kommt mitsamt Deckel auf den Tisch. Tajines gibt es in allen Größen, von der 1-Personen-Tajine bis zum Pendant zur 20-Personen-Gulaschkanone. Wir haben meist eine gemeinsame Tajine, heute mit Rindfleisch, morgen mit Hühnchen, dann mal mit gemischtem Fleisch, immer mit verschiedensten Gemüsesorten und alles immer nett angerichtet. Manchmal gibt’s zum Frühstück Omelette aus der Tajine – auch hier: eine für alle.

Tag 2 in Marocco – Flucht vor dem Regen

Wir machen uns am nächsten Morgen auf den Weg aus der Stadt heraus, wieder auf die nassen Straßen. Zwischendurch scheint immer mal wieder die Sonne, aber letzten Endes werden wir nass. Torstens Handschuhe weichen so auf, dass sie abfärben, Tom schüttet bei einem Stop im Café erst mal das Wasser aus seinen Stiefeln. Ich habe das Gefühl, nicht die schlechteste Wahl für meine Bekleidung getroffen zu haben. Und auch meine Heizgriffe finde ich nett. Immer wenn ich kurz vor ’so richtig durchgefroren‘ bin, schalte ich sie ein und wärme mich wieder ein wenig auf. Und natürlich kommen auch die Trockensocken zur Geltung. Klar, ohne Regenkombi und Gamaschen rinnt irgendwann auch Wasser in die Stiefel, aber die Füße bleiben einigermaßen trocken. Es kommen doch wieder Erinnerungen an Norwegen auf, aber da es hier noch ein paar Grad wärmer ist, kann man es besser ertragen. Und es bleibt die Hoffnung, dass nach dem Gebirge das Wetter auch besser wird.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: da es auf unserer Strecke mittlerweile schon recht viel geregnet hat, verdünnt sich der Schmierfilm auf den Straßen mehr und mehr, und man kann wieder etwas schneller fahren. Das schlechte Gefühl bleibt zumindest mir aber noch etwas erhalten – wer weiß schon, hinter welcher Ecke es noch nicht so viel geregnet hat, dass dieser Effekt sofort wieder eintritt. Also ist auf jedem feuchten Flecken besondere Vorsicht angesagt.

Es geht weiter in Richtung Süden. Ziel ist immer noch, möglichst schnell in wärmere und trockenere Regionen zu gelangen. Wir fahren an Fes vorbei, kommen am Nachmittag in das Atlas-Gebirge, in dieser Gegend mit Gipfeln bis dreieinhalb tausend Meter. Die Straße führt uns auf 1.500 bis 2.000 m rauf – was natürlich auch eine weitere Abkühlung bedeutet. Auf dem Weg kommen wir auch durch einen der Wintersportorte Maroccos: Ifrane auf etwa 1.500 m Höhe. Hübsche Häuser, oft scheinbar leerstehend und kaum Leute auf der Straße. Liegt es am Wetter (es regnet auch hier) oder daran, das die Wintersportsaison vorbei ist? Nach einem Kaffee zum Aufwärmen geht’s auch von hier sofort wieder weiter in Richtung Süden.

Zwischendurch sehe ich immer mal wieder sowas wie Stadttore, die allerdings scheinbar nur mitten im Gelände stehen. Diese Möchtegern-Tore bestehen aus zwei Mauern rechts und links von der Straße, welche von beiden Seiten einen Bogen über die Straße andeuten und jeweils auch noch einen Durchgang für Fußgänger haben. Die ‚Tore‘ stehen, wie gesagt, mitten im Feld, weder davor noch dahinter ändert sich etwas an der Landschaft. Aber einige Kilometer später gelangt man dann in die zugehörige Stadt. Und bei der Ausfahrt aus dieser Stadt kommt man auf der anderen Seite auch irgendwann wieder an einem solchen Tor vorbei.

Aus der Liste der recommended Hotels wird für den Abend eine Bleibe gewählt, es stellt sich als hübsches weißes Gebäude mit großen Suiten heraus. Als wir dort ankommen, scheint die Sonne, diesmal waren wir schneller als die Regenwolken – auch wenn ich nicht glaube, dass wir sie komplett abgeschüttelt haben. Nachdem alle ihr Gepäck sortiert und die nassen Klamotten zum trocknen aufgehängt haben, finden wir uns auf einer kleinen Wiesenfläche zu einem gemeinsamen Bierchen ein, man reicht Erdnüsse und Oliven als Snack und wir erfreuen uns an der Sonne. Später dann gibt es im Restaurant wieder eine wunderbare Tajine und lustige Gespräche, Geschichten und Anekdoten. Gerade noch rechtzeitig wird die trocknende Wäsche vor dem aufziehenden Regen in Sicherheit gebracht. Aber irgendwie haben wir uns mit dem Wetter schon abgefunden. Jim erklärt sich mittlerweile auch mehr oder weniger als ‚Rain-Bringer‘ verantwortlich. Weitere Beobachtungen scheinen das tatsächlich zu bestätigen: wenn Jim weg fährt, klart es auf, und etwa eine halbe Stunde nachdem Jim irgendwo ankommt, ziehen auch dort wieder Regenwolken auf. Letzten Endes sind das aber doch wohl nur Zufälle …

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Exkurs: Bekleidung für einen Motorrad-Urlaub in Marocco

Ich wurde noch in der Vorbereitungsphase angewiesen, doch auch meine super-leichte Motorradkleidung mitzunehmen, immerhin fahren wir in die Wüste! Die Sachen hatte ich damals bei 36°C im Schatten auf Corse an, die Jacke besteht eigentlich nur aus Löchern und an der Hose kann man den unteren Teil des Hosenbeins ab-zippen. Aus irgendwelchen Gründen (war’s etwa das Wetter in Spanien?) hab ich mich dann aber vor Ort doch dazu entschieden, für Marocco lieber die wasserdichten Klamotten anzuziehen. Torsten hat ebenfalls das komplette Cross-Programm dabei (im Cross-Panzer nennt man ihn auch la tortuga = die Schildkröte), aber auch diese Sachen werden nach einmaliger Nutzung in Spanien wieder im Auto verstaut. Ich habe zum Glück auch ein Paar wasserdichte Handschuhe dabei, Torsten leider nicht und demzufolge oft nasse und kalte Hände …

Die Briten waren auch hier wieder bestens auf alle Eventualitäten vorbereitet: Jim hatte auf seinen Koffern ein zweites Paar Stiefel verzurrt, Geoff und James hatten komplette Regenkleidung dabei – vielleicht war das auch ein Tribut daran, dass sie die gesamte Strecke von England aus gefahren waren?

x-ter Regentag in Marocco

Es geht am Samstag Morgen wieder los, weiter gen Süden. Die Landschaft verändert sich kaum, wir sind immer noch im Atlas-Gebirge. Etwa gegen Mittag kommen wir an unserem nächsten recommended Hotel an den südlichen Ausläufern des Atlas-Gebirges an. Es hat sich mittlerweile auch heraus kristallisiert, dass Tom der Geschäftsmann in unserem Trupp ist: Verhandlungen über den Preis von Zimmern, Verköstigung und ähnliches führt er am erfolgreichsten, fortan steht er hierbei also immer in der ersten Reihe.

Ich fühle mich gehetzt und müde, mir ist kalt. Seit Tagen flüchte ich vor schlechtem Wetter, so langsam geht mir wohl die Kraft aus. Und so lasse ich die Herren am Nachmittag allein eine Runde drehen. Ich lege mich stattdessen mit einem Buch ins Bett, lese, bis mir die Augen zu fallen. Als ich wieder wach werde, fühle ich mich besser, mir ist auch nicht mehr kalt. Die Herren fahren derweil erste offroad-Passagen, unter anderem auch durch ein Flussbett. Einen Sturz gibt es wohl auch, aber keine dramatischen Schäden, weder an Mensch, noch an Maschine. Nur ein nettes Foto von Jim neben seinem Motorrad, auf dem er Arme und Schultern hängen lässt und sehr betroffen wirkt. Einen heftigen Regenguss nehmen sie auch mit, als sie wieder auftauchen, strahlen Torstens Augen trotzdem und er kann gar nicht aufhören, von dem Flussbett mit den dicken Steinen und dem Weg neben der Straße und überhaupt zu erzählen. Einerseits schade, dass ich nicht dabei war, andererseits war’s aber offensichtlich nötig, dass ich mich ausruhe. Also hoffe ich auf zukünftige Gelegenheiten, die sich ja wohl irgendwann mal ergeben werden …

Am Abend dann wieder ein gemütliches gemeinsames Essen. Die Frage nach Alkohol dazu muss der Wirt leider verneinen. Aber er könne uns zu einem Supermarkt führen, bei dem wir Bier und Wein bekommen können. Zurück von dieser Ausfahrt gibt es von den Beteiligten wieder lustige Geschichten von Autofahrern in Marocco und fehlendem Gebläse bei beschlagenen Scheiben. Jim musste wohl während der Fahrt alle halbe Minute mit einem Stück Zeitungspapier die Scheibe frei wischen. Muss ein ziemlich interessantes Gefühl gewesen sein, im Dunkeln bei einem völlig Fremden im Auto zu sitzen, nicht zu wissen wohin es geht und dann auch noch eigenhändig für freie Sicht sorgen zu müssen … Aber es stellt sich auch heraus, dass Jim sozusagen unser Getränkemeister ist. Im Folgenden wird er es meist sein, der den Weg zum Supermarkt und damit auch zu Bier und Wein findet. So bekommt nach und nach jeder seine Rolle in unserem Trupp.

Ab in die Wüste!

Am Sonntag Morgen ist klar, dass unser nächstes recommended Hotel irgendwo in der Wüste steht: das Desert Inn. Die Karte gibt nicht viel her, außer, dass es nicht sehr weit zu fahren ist. Jedoch wirft Torsten zu bedenken ein, dass die Fahrzeit auch davon abhängig ist, wie viel der Strecke offroad zu fahren ist. Entweder hat er am Vortag Blut geleckt, oder ihm ist einfach nur klar, dass wir uns jetzt in Richtung Wüste begeben … Wir fahren Richtung Merzouga am Erg Chebbi, biegen aber vorher links ab und müssen tatsächlich irgendwann die befestigte Straße verlassen und uns durch die Landschaft arbeiten. Angeblich sind es noch 8 km bis zum Hotel, gut dass es Garmin gibt und die recommended Hotels mit Geo-Koordinaten benannt sind. Die Landschaft ist hier ziemlich flach, man kann Kilometer weit sehen. Neben der Straße ist fester Boden mit Steinchen übersät, zwischendurch ein paar kleine Grasbüschel und Sandflecken, ab und an auch etwas felsigere Abschnitte. Man sieht die Spuren von Geländewagen, die sich zuhauf einen Weg gebahnt haben. Ich denke mir, dass man so lange einigermaßen beruhigt hier rumkurven kann, so lange noch eine Zahl Autospuren zu sehen sind. Wenn die da in Massen durch fahren, müssen wir uns auch keine größeren Sorgen machen … muss ICH mir keine größeren Sorgen machen – die Herren scheinen eh völlig unbesorgt … Es geht auch alles gut, ich komme gut voran, kümmere mich nicht um die Herren, die um mich herum offenbar viel Spaß an der Gegend haben. Bis zu einer Stelle, wo der Weg durch einen Sandstreifen geht. Ich hab wieder mal zu viel Zeit zum Nachdenken, traue mich doch nicht, und lasse James mein Moped durch den Sand fahren. Wohl wissend, dass ich zumindest bei der Rückfahrt wieder hier vorbei kommen werde – und nehme mir vor, es dann selbst zu probieren.

Im Hotel (ein nettes, wenn auch etwas zu nobles Haus mit reichlich distinguiertem Oberkellner) handelt Tom einen guten Preis aus, und weil es noch früh am Tag ist, machen wir uns zu viert noch mal auf den Weg. Geoff, Tom, Torsten und ich fahren noch einmal in den nächsten Ort, ein wenig Kaffee trinken und Aufkleber suchen. Auf dem Weg mache ich dann erste Aufhebeübungen mit meinem Motorrad. Ich habe Torsten darum gebeten, also sucht er einen guten Platz aus, die beiden anderen schauen zunächst etwas irritiert, dann aber auch interessiert zu. Beim ersten Versuch haue ich mir den Spiegel mit Schwung zwischen die Beine, was mich erst mal zum Lachen bringt, und ich kann sie natürlich nicht allein aufstellen. Und beim zweiten Versuch verspricht mir Torsten zwar, er hätte nur ganz wenig geholfen, aber ich hab’s eben nicht allein geschafft. Gut, also demnächst besser frühstücken, vorher den Spiegel einklappen und vor allem: die Beinmuskulatur mal wieder trainieren!! Mit zwei Versuchen habe ich für heute erst mal genug, es geht weiter. Wie schon vermutet, kommen wir auch wieder an dem Sandstück vorbei. Diesmal möchte ich selbst durch fahren. Torsten stellt sich auf die andere Seite und gibt Anweisungen. Ich verbiete mir jegliche kontraproduktive Hirnarbeit und fahre los. Dummerweise stelle ich dann fest, dass er selbst und auch sein Motorrad genau auf meinem Weg steht – oder mein Weg sich genau an ihnen orientiert? Also muss ich im Sand eine Kurve fahren, drehe dabei vor lauter Hektik viel zu sehr am Gashahn und mache mit durchdrehendem Hinterrad einen reichlich unkoordinierten Schlenker … aber ich komme durch! Ohne Sturz!! Pah. Und Torstens Hinweis, dass ich mit diesem Schwung fast bis zum Mond hätte fliegen können, tue ich mal als übertrieben ab …

 

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Wir fahren weiter in die Stadt, trinken einen Kaffee und suchen für Torsten Aufkleber (engl. ’sticker‘). Dafür fahren wir hin und her, an einer Tankstelle weist man uns eine Richtung, und ein Marokkaner bietet an, uns persönlich den Weg zu zeigen. Torsten nimmt ihn auf den Sozius und wir kurven mit Beifahrer (ohne Helm, im landesüblichen Kaftan und nur mit Schlappen an den Füßen) durch Erfoud. Ein erster Aufkleber ist gefunden, und bei allen weiteren Stopps wird Torsten immer wieder mit seiner Suche nach Aufklebern für lustige Sprüche sorgen.

Zurück zum Hotel, die Herren biegen schon früh vom Asphalt in die Landschaft ab, ich mache von der Straße aus Bilder von ihnen im Sand, im Hintergrund hier dicke Regenwolken, dort ein Sandsturm und da hinten wunderbarer Bilderbuchhimmel: klares Blau mit weißen Wolken. Auf dem weiteren Weg verlasse ich mich für die grobe Richtung auf meinen Garmin und die Autospuren in der Landschaft, die Herren kurven irgendwo um mich herum, mal vor mir, mal hinter mir. Irgendwann dreht Torsten direkt vor mir um, weil Geoff sein Gerät in den Sand gelegt hat. Nichts passiert, nur Aufhebehilfe ist gefragt (deshalb auch meine Übung bei der Hinfahrt). Wenige Minuten später, als wir schon fast am Hotel angekommen sind, ist Tom verschwunden. Torsten und Geoff suchen die Landschaft ab, sehen ihn aber nicht. Möglicherweise ist er schon im Hotel? Also fahren wir dort hin, aber auch da ist er nicht. Also ist er noch draußen in der Landschaft, und es nähern sich die Regenwolken und der Sandsturm. Erst suchen wir ihn von einer kleinen Anhöhe in der Nähe des Hotels, aber obwohl man die Landschaft viele Kilometer weit überblicken kann, sehen wir ihn nicht. Also: zwei Mann wieder raus und suchen! Sie finden ihn in einer kleinen Senke, in der er erst rechts angeeckt und dann mit links komplett hängen geblieben ist (oder umgekehrt). Sein Moped hat einige Schäden davon getragen und er selbst hat auch Kratzer und Prellungen. Aber beide laufen noch und werden von Torsten und Geoff nach Hause geleitet. Am Hotel finden dann zuallererst die Arbeiten am Moped statt: mit Latexhandschuhen bewehrt werden die gebrochenen Teile (Scheibe und rechter Handschutz inklusive Spiegel) abgebaut, der Lenker wieder gerichtet und lockere Schrauben angezogen. Eben: „A biker’s work is never done.“ Die Aktion hat was von Operation im Krankenhaus und Doktor Tom macht einen perfekten Oberarzt dabei. Knapp vor dem Sandsturm sind die Arbeiten beendet und wir können uns alle in das Hotelfoyer zurückziehen und auch dieses Naturschauspiel aus geschützter Position verfolgen. Es ist nur ein kurzes Intermezzo und wir müssen keine Schaufeln benutzen, um unsere Motorräder wiederzufinden, nicht mal einen Besen.

Am späteren Nachmittag haben uns wieder mal die Wolken eingeholt, aber noch regnet es nicht. Wir schlendern ein wenig um das Hotel herum und sehen in Richtung der Algerischen Grenze, die etwa 20 km entfernt liegt, ein paar Sanddünen, die noch von der Sonne angeschienen werden. Sie liegen da als strahlend goldene Hügel vor dem dunklen Horizont, als würden sie selbst Licht verbreiten. Wunderschöne Bilder …

Wieder ist ein Tag vergangen und beim Abendessen werden die weiteren Pläne geschmiedet. Der Kellner und die anderen Gäste schauen uns etwas befremdet an, passen wir doch so wenig in dieses noble Ambiente. Aber abgesehen davon, dass ich mein kleines Schwarzes und die feinen Pantöffelchen nicht eingepackt hatte, kann man uns nicht wirklich was vorwerfen. Wir haben weder schmutzige Lieder gesungen, noch mit dem Essen gematscht oder uns sonstwie daneben benommen.

Exkurs: Die Geschichte von ‚ridiculous‘

Während des gesamten Urlaubs haben wir uns mit Händen und Füßen und einem amüsanten Kauderwelsch mit unseren britischen Begleitern unterhalten. An einem Abend benutzt einer der Herren das Wort ‚ridiculous‘ (= ‚lächerlich‘), woraufhin Torsten fast vom Stuhl springt vor Aufregung. Meinte er doch, damit endlich ein Wort wiedergefunden zu haben, das er bei seinem letzten Costa Rica Aufenthalt gehört und nie richtig verstanden hat. In seiner eigenen Art erzählt er den Briten von seiner Suche nach diesem Wort und fortan haben wir alle ein weiteres Schlüsselwort für diesen Urlaub: ridiculous. Zumal ‚lächerlich‘ hier in ziemlich vielen Situationen hervorragend passt: ein lächerlicher Preis im Hotel, eine lächerliche Piste, lächerliches Wetter … wohin man sieht, alles kann mit ‚ridiculous‘ beschrieben werden, und so verfolgt uns dieses Wort neben dem ’sticker‘ im gesamten Urlaub.

Zu den Gorges

Nach einer Nacht in dem Nobelhotel in der Wüste ziehen wir wieder weiter. Nächstes Ziel sind die Gorges du Todra und Gorges du Dadès, zwei befahrbare Flusstäler, welche im oberen Teil miteinander verbunden sind und so in einer Runde zu befahren sind. Wir begegnen den ersten frei laufenden Kamelen, wobei man feststellen muss, dass immer auch Menschen in der Nähe sind. Überhaupt mag das Land noch so leer und unbewohnt aussehen, sobald man irgendwo stehen bleibt, tauchen vermeintlich aus dem Nichts immer wieder Menschen auf. Neugierige Erwachsene, meist aber Kinder, die versuchen, einem auf jede erdenkliche Weise Geld oder einen Schreiber aus den Taschen zu leiern. Nein, nicht stehlen, aber betteln oder gegen ein einfaches lokales Mitbringsel oder eine kleine Gefälligkeit tauschen. Um sie los zu werden, muss man dann schon sehr ignorant sein … oder einfach weiter fahren.

Während unseres Weges zu den Gorges bekomme ich dann auch zum ersten Mal ein Gefühl dafür, was eine Oase darstellt. Das Land ist normalerweise karg und trocken. Vornehmliche Farbe ist ein in Gelb- und Rottönen variierendes steingrau. Es ist sandig und steinig, ab und an gibt es vereinzelte, kniehohe Büschel aus trockenem Gras, und meist kann man in der Ferne karge Gebirgszüge sehen. Dann kommt man über eine Kuppe oder um eine Ecke und von jetzt auf gleich tut sich ein grünes Wunderland auf! Palmen, Obstbäume und frisch bestellte Getreidefelder. Nach der bisherigen Trockenheit sieht es hier fast so aus, als würden alle Pflanzen an diesem Ort platzen vor Frische und schmackhafter Feuchtigkeit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Gefühle der plötzliche Anblick eine Oase bei Reisenden in diesen Gegenden ausgelöst haben mag, als reisen noch nicht motorisiert und von daher langsamer und deutlich beschwerlicher war!

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Bei genauerem Hinsehen stellt man dann fest, dass diese grünen, frischen Plätze nicht allein von Pflanzen beherrscht werden. Direkt bei dem Grün haben sich natürlich Menschen angesiedelt, deren Häuser sich farblich aber fast unsichtbar in die umgebende Landschaft einpassen. Und selbstverständlich hat man diese Häuser auch nicht mitten in das Grün gebaut, sondern drum herum, um diesen sehr punktuellen natürlichen Reichtum nicht an etwas profanes wie ein Haus zu verschwenden. Als Reisender kann man sich kaum satt sehen an diesem Anblick, und umso bedauerlicher ist es, dass diese Pracht nach der nächsten Kurve oder Kuppe wieder unsichtbar geworden ist. Hier sieht es dann wieder karg und steinig aus, wie auf der langen Strecke vor der Oase. Einziger Trost: dies war sicher nicht der letzte grüne Fleck auf unserem Weg.

Es ist nicht sehr weit vom Wüstenhotel bis zur Einfahrt zur ersten Schlucht, wo wir Montag gegen Mittag ankommen und vor beeindruckenden Felswänden einen Snack zu uns nehmen. Hier ist es schon deutlich touristischer, mehrere Lokale buhlen um die Gunst der Besucher, es gibt Verkaufsstände für irgendwelchen Touri-Kram, wie Wolldecken und Tücher, Shirts und Kappen und andere Souvenirs. Bei der Weiterfahrt kommen wir auf den ersten paar hundert Metern in der Schlucht noch an weiteren Verkaufsständen vorbei, danach kehrt wieder Ruhe ein und wir haben endlich trockenes Wetter, sogar Sonnenschein und schöne gewundene Straßen durch ein beeindruckendes Land. Wir suchen uns mal wieder ein nettes recommended Hotel in der Schlucht, ein hübsches, verwinkeltes Etablissement etwas abseits der Straße, bestehend aus verschiedenen kleinen Gebäuden und in den Fels gehauenen Kammern. Alles schön gepflegt und das Personal besteht aus jungen Leuten, sogar einigen jungen Frauen, die sich sehr offen geben und die Gäste abends auch mit selbst gemachter lokaler Musik unterhalten (auch wenn sich nicht alle dafür begeistern können). Einzig die Zufahrt zu dieser Auberge ist wieder mal nicht für mich geschaffen: natürlich unbefestigt, eine Mischung aus Sand und Schotter, ausgefahrene PKW-Spuren, mit einigermaßen engen Kurven und Gefälle und Steigung – auf einer Gesamtstrecke von höchstens 50 Metern. Ich arbeite mich mehrfach hindurch, je nach Tagesverfassung hochkonzentriert oder laut fluchend, und muss mir hierzu einige Vorträge von Torsten anhören, was ich falsch mache, oder wo ich zu viel denke und zu zaghaft agiere. Aber zumindest in einem Punkt sind wir uns einig: alles eine Frage der Übung! Also übe ich weiter …

Bei einem kurzen Spaziergang am späten Abend stelle ich dann auch noch fest, dass offensichtlich in der Felswand gegenüber Menschen wohnen. Ein leichter Feuerschein erhellt einen Teil der Felswand, abgeschirmt von einer halbhohen Mauer, die am hellichten Tag gar nicht auffällt. Wenn man dann am Tag dann mal genauer hinsieht, findet man noch mehr dieser Verstecke, und damit erklärt sich auch, woher die Menschen plötzlich kommen, wenn man an einem vermeintlich menschenleeren Ort stehenbleibt. Am nächsten Morgen hat sich noch dazu eine Herde Ziegen und Schafe in der Nähe der Mauer eingefunden, und später werden die Tiere von einem Hirten wieder von dort weg getrieben. Und am Nachmittag ist es dann wieder so still und unauffällig wie am Tag zuvor, als wir angekommen sind.

Am Abend wird wieder der Plan für den nächsten Tag besprochen. Es sollen immer noch die Gorges befahren werden. Ein bedeutender Teil der Strecke soll nicht asphaltiert sein, was nach bisherigen Erfahrungen in Marocco so ziemlich alles bedeuten kann. Es gibt wohl auch eine Abkürzung, die auf halber Strecke über den Bergkamm zwischen den Tälern führt und einigermaßen anspruchsvoll sein soll. Eine Idee ist, nicht den kompletten Weg zu fahren, sondern die Abkürzung zu nehmen und damit Zeit zu sparen. Jedoch wird in einem Buch aus den unerschöpflichen Tiefen des britischen Gepäcks vor der Abkürzung gewarnt, das sei die zweitschwierigste Strecke, die der Autor in Marocco jemals gefahren sei … Die Formulierungen in diesem Buch schrecken einige der Herren ab, insbesondere Geoff, für den dies der erste Motorrad-Urlaub überhaupt ist, und Jim, der wohl langsam an seine Grenzen kommt. Von meiner Wenigkeit mal ganz abgesehen. Ich habe gleich gesagt, dass ich im Zweifelsfall allein über den Asphalt zurück fahre und an der Gegenseite wieder zu ihnen stoße.

Aber die weiteren Diskussionen dieses Abends führen zu einer anderen Idee: Wir schauen uns zunächst einmal kurz an, wie sehr ‚offroad‘ es denn auf der langen Strecke sein wird und entscheiden dann. Irgendjemand hat die Idee, man könne ja ohne Gepäck die kompletten Gorges fahren, dann das Gepäck wieder aufladen und anschließend noch Richtung Ouarzazate fahren, wo sich das ‚recommended‘ und nahezu legendäre Biker’s Home befindet. Das wären 160 km für die Gorges, davon schätzungsweise 40 oder 50 km offroad, dazu noch weitere 200 km nach Ouarzazate. Wow, das wäre ein ganz schöner Batzen für eine einzigen Tag … Es wird weiter diskutiert und man einigt sich, zunächst ohne Gepäck loszufahren, sich den Schwierigkeitsgrad der offroad-Passagen anzusehen und dann zu entscheiden. Einheimische erklären, der asphaltierte Weg höre wenige Kilometer vom Hotel entfernt auf, so dass wir nicht weit zu fahren hätten. Noch dazu ist klar, dass nicht alle genug Benzin für die komplette Gorges-Runde haben, also müssen wir auch noch tanken. Heißt also: in die Gorges rein fahren, entscheiden, aus den Gorges wieder raus fahren, tanken und in die Gorges wieder rein fahren. Nicht optimal, aber ein Konsens. Trotzdem: diese Rechnung war ohne Torstens Zielstrebigkeit (hat da jemand Dickkopf gesagt? NEIN!) gemacht.

Durch die Gorges

Am Dienstag Morgen fahren wir also los, zunächst wie geplant und besprochen in die Gorges du Todra (= Todra-Schlucht) hinein. Zu Beginn ist es wirklich eine Schlucht mit steilen Felswänden rechts und links. Die Wände flachen jedoch immer weiter ab, je weiter wir nach Norden gelangen. In der Mitte der Schlucht kann man anfangs noch das Flussbett sehen, direkt am Eingang zur Schlucht führt er auch Wasser, aber schon bei unserem Hotel sehe ich kein Wasser mehr im Bett, und später verliere ich sogar das Bett aus den Augen. Naja, vielleicht war ich auch nur wieder zu sehr mit mir und meinem Gerät beschäftigt.

Die von dem Einheimischen propagierten wenigen Kilometer bis zum offroad nehmen kein Ende und nach einer halber Stunde fahren wir immer noch auf anständigen Asphalt-Straßen. Bei einem kurzen Stop wird kurz darüber beraten, dass einigen das Benzin langsam ausgeht, also wird zunächst der Garmin und dann einige Einheimische nach einer Tankstelle befragt. Mehr oder weniger einhellig heißt es, im nächsten (oder übernächsten) Dorf gebe es eine Tankstelle, Tankmöglichkeit oder auch einen Benzinverkäufer. Eine Aussage ist auch ganz klar, dass es nur Benzin aus dem Kanister gebe, nicht aus der Zapfsäule. Einen Einheimischen nimmt Torsten wieder mal als Beifahrer mit, aber trotz des persönlichen Scouts verpasst er leider die Stelle, an der es möglicherweise Sprit gegeben hätte. Und statt zurück zu fahren, führt er uns immer weiter in die Gorges hinein. Ich selbst habe noch genug Sprit, erst recht, wenn wir weiter mit so geringem Tempo unterwegs sind, insofern kommt bei mir keine Unruhe auf. Bei den Anderen bin ich mir nicht sicher, wir halten immer mal wieder an, es wird diskutiert, aber anschließend fahren wir weiter in die Gorges hinein. Und dann … dann kommen wir mal wieder in irgendein Dorf, an irgendeiner Markierung erkennt Torsten, dass es hier Benzin gibt, und wir werden tatsächlich mit Trichter und einer mehr oder weniger geeichten 4-l-Kanne aus dem großen Kanister versorgt! Ein Hoch auf den Dickschädel …

Wir fahren jetzt alle recht entspannt weiter, davon, nochmal umzukehren, redet keiner mehr, und am nördlichsten Punkt der Runde beginnt dann auch der offroad-Anteil. Zunächst scheint es, als würden wir nach wenigen Metern auf irgendeinem Hinterhof oder im Wohnzimmer des Dorfältesten landen. Wir halten für eine kurze Lagebesprechung und Zigarettenpause an, sofort kommen wieder Kinder aus allen Ecken gekrochen und bequatschen uns mit „Dirham … Euro …. Stylo … Madame … “ Die Herren verteilen einige Münzen und sind natürlich sofort umso mehr belagert. Diese Freigebigkeit spricht sich wie ein Lauffeuer herum, da hilft dann wieder mal nur noch geregelte Flucht. Wir sitzen wieder auf und starten auf den unbefestigten Teil der Rundfahrt. Es mutet wie ein ausgefahrener Feldweg an, und aus heutiger Sicht ist es genau das, nur eben 50 km lang und mit allen Varianten der Bodenbeschaffenheit, die man sich für einen Feldweg so vorstellen kann. Von Anfang an versuche ich, mich nicht zu sehr von meinen Vorfahrern irritieren zu lassen, sondern so zu fahren, wie ich es gerade vertrage. Torsten hat natürlich richtig Spaß auf der Strecke und wäre sicher mindestens doppelt so schnell durch, aber auch das ignoriere ich einfach. Immerhin muss ich irgendwie da durch kommen und kann auch nicht mal eben den ADAC rufen. Und ein weiteres Ziel ist, mein Gerät dabei auch nicht wegzuwerfen. Okay, dann mal los. Um mich herum ist immer einer der Herren, Geoff hinter mir, Jim vor mir, später auch mal James hinter mir, der an schwierigen Passagen einfach nur da ist oder mir den richtigen Pfad durch den Matsch weist. Oder mir anbietet, für mich diese Stelle zu überbrücken. Und für den es ok ist, wenn ich trotzdem selbst fahren will und es dann einfach nur länger dauert (und wahrscheinlich ziemlich kompliziert und anstrengend aussieht). Alles ok, jetzt gibt’s eh kein Zurück mehr. Ich fahre schön ruhig hinterher, arbeite mich durch das Gelände und habe natürlich viel zu viel mit mir und meinem Gerät zu tun, als dass ich die Landschaft richtig aufnehmen könnte. Einige Stellen bekomme ich mit, und natürlich genieße ich während der Pausen den Ausblick. Die Farben der Landschaft sind wie bisher fast immer rötlich, mal eher gelb-orange, ein anderes mal schon fast violett, und die Übergänge sind oft sehr spontan, eben noch hell, dann, nach der nächste Kuppe oder Kurve, wieder dunkel – fast so spontan wie bei den Oasen. An den richtigen Stellen hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Gebirge drumherum. Wir arbeiten uns bis auf 2.900 m Höhe hinauf, treffen zwischendurch immer mal wieder einheimische Frauen mit bepackten Mulis – einer davon hat gerade sein gesamtes Gepäck abgeworfen und Reisaus genommen und wir warten, bis er wieder eingefangen ist. Ansonsten sind wir hier nahezu allein, andere Wahnsinnige, die sich auf zwei oder vier Rädern durch’s Gelände arbeiten, begegnen uns nicht. Hurra!

Bei den Pausen kann man sehr eindrucksvoll die Strukturen dieses Gebirges betrachten. Es sieht ganz anders aus als Alpen, und das liegt nicht nur an der fehlenden Vegetation. Man kann die Gesteinsschichten sehen, die sich hier aufgeschoben haben. Es gibt nicht so viele schroffe Verwerfungen, vielmehr kann man hier riesige, mehrstufige Platten erkennen, die sich ganz gemächlich in diese Höhen aufgetürmt haben. Und dazwischen Täler, die vom Wind oder von langst versiegten Gewässern über Jahrtausende hinweg in diese Platten hinein gearbeitet wurden. Und selbst wenn ich den Spaß am offroad-fahren noch nicht begriffen habe, ist mir doch klar, dass ich mit anderen Mitteln niemals an diese Orte gekommen wäre und auch niemals diesen Ausblick hätte genießen können. Also übe ich einfach weiter, vielleicht setzt der Spaß ja ein, wenn ich genug Routine habe …

Abgesehen von einigen unangenehmen Passagen (z.B. eine schlammige und total ausgefahrene 180-Grad-Wende) komme ich auch recht entspannt und problemfrei durch. Was aber nicht heißt, dass es nicht anstrengend ist, und ich bin dann doch froh, dass wir bei der anschließenden Nachmittags-Tajine entscheiden, zu unserem Hotel zurück zu fahren und heute nicht mehr den Weg zum Biker’s Home antreten.

Das berühmte ‚Biker’s Home‘

Am nächsten Morgen (Mittwoch) packen wir dann ganz gemächlich unser Gepäck, und ich arbeite mich wieder durch die komplizierten 50 m Zufahrt – am frühen Morgen eine besondere Herausforderung an meine Entspanntheit. Wir fahren über ganz normale Asphaltstraßen Richtung Ouarzazate, um dort hoffentlich beim Biker’s Home unter zu kommen. Mittlerweile ist dieser Name in unser aller Munde, nicht wissend was denn genau dahinter steckt. Wir nehmen an, es handelt sich um ein hübsches Hotel, weil es eben von dieser Liste der ‚recommended Hotels‘ stammt, die uns ja bisher immer zu prima Unterkünften geführt hat. Wir lassen uns Zeit, das Wetter lädt dazu ein, es mal nicht eilig zu haben. Am späten Vormittag Kaffeepause in einem größeren Ort. Torsten macht sich auf die Suche nach Aufklebern, die anderen Herren setzen sich am lärmenden Straßenrand in ein Café und lassen sich wärmen und ich stöbere mal an den Auslagen der Läden vorbei. Man kann sehr gut und unbelästigt gehen, keiner quatscht mich an, und ich fühle mich zwar klar als Tourist erkennbar, jedoch kümmert es keinen. Schön, trotz Lärm, Geschäftigkeit, Staub und Wärme ist alles sehr entspannt. Vielleicht zu entspannt? Als es weiter gehen soll, stelle ich mich ein wenig dämlich an und versenke meinen Schlüssel in meinem Motorrad. Nicht einfach nur so, dass man ihn mit ein wenig kippen und schütteln des Motorrads wieder bekommt. Nein, so geschickt, dass die Herren mit Werkzeug die komplette Verkleidung abschrauben müssen, um ihn wieder hervor zu holen. Damit habe ich mich sozusagen mit Geoff solidarisch gezeigt, der seinen Schlüssel (und verschiedene andere Dinge) ständig vergisst oder verlegt. Und dass, obwohl er z.B. den Schlüssel extra an einem Band um den Hals trägt. Ich weiss nicht, wie oft wir ihm den Schlüssel, oder seinen Helm hinterher getragen haben, und wie oft allein ich an seinem Motorrad das Licht ausgeschaltet habe. Spätestens nach meinem „I dropped my key!“ braucht er sich nicht mehr allein zu fühlen …

Weiter nach Ouarzazate zu den Koordinaten vom Biker’s Home … und es folgt eine herbe Ernüchterung. Was hatten wir uns alle vorgestellt, worauf wir treffen würden? Keine Ahnung, aber wir finden ein gewöhnliches, verschlossenes Haus in einer Nebenstraße vor, über der Tür hängt ein Schild mit dem Namen, aber auf unser Klingeln rührt sich nichts. Hmm. Welch Enttäuschung. Aus sehr menschlichen Gründen dränge ich aber darauf, diesen Ort hinter uns zu lassen und möglichst schnell eine Örtlichkeit aufzusuchen, an der ich mich erleichtern kann. Gesagt, getan, zumal es auch Zeit für einen mittäglichen Snack ist, fahren wir nur wenige Meter weiter, parken die Motorräder am Straßenrand und begeben uns in eines der Straßenlokale. Mein erster Gang führt mich zur Toilette – eine Leiter zu einer Galerie rauf, hinten in der Ecke ist ein Holzverschlag, gerade groß genug, um das übliche Loch im Boden und die beiden Fußabdrücke in Keramik beherbergen zu können. Schon beim Eintreten muss man sich gut überlegen, welche Körperteile man in welcher Reihenfolge hinter die Tür zieht … das hat aber auch den Vorteil, dass man über dem Loch auf keinen Fall Platz hat, umzufallen! Egal, man stumpft ja insgesamt ab (grins). Nach dem Essen stellen wir dann fest, dass sich in der Zeit die Motorräder in den Asphalt eingearbeitet haben: die Ständer zumindest der KTM und der Tiger hinterlassen Löcher von mehreren Zentimetern Tiefe. Torsten sagt, er hätte schon während des Essens das Gefühl gehabt, sie habe sich geneigt …

Motorräder im Zelt

Gestärkt können wir jetzt auch ohne Biker’s Home leben, allerdings brauchen wir doch eine Bleibe für die Nacht. Wir stöbern mal wieder in den recommended Hotels und finden etwas in Teluet, auf einer Nebenstrecke Richtung Marrakech (oder auch ‚Marrakeck‘, wie James so gern sagt). Die Nebenstrecke führt mal wieder über weniger gut gepflegte Straßen durch eine hügelige Landschaft in vielen verschiedenen Rottönen, manchmal sind in den Feldformationen weiße Salzablagerungen zu sehen, auch hier gibt es wieder kleine grüne Oasen, und bei einem Zwischenstopp düst plötzlich eine Anzahl staubiger R4 in einer Art Rallye an uns vorbei.

Es ist immer noch schönes Wetter, kaum zu glauben. Wir fahren das ausgewählte Hotel an, Tom wird für die Preisverhandlungen vorgeschickt, Jim befindet die Zimmer für vertretbar und so haben wir ein Dach über dem Kopf. Und nicht genug damit, der Wirt bietet uns auch noch an, die Motorräder in das Zelt zu schieben, das wohl normalerweise als Speisesaal genutzt wird. Stühle und Tische werden kurzerhand beiseite gerückt, Teppiche bleiben liegen, und nach und nach werden die Motorräder eingeparkt. Sehr amüsantes Bild, fehlen nur noch die Decken, aber Torsten deckt sein Moped zumindest für’s Foto mit einem Kissen zu.

Im Nachhinein wundern wir uns ein wenig, dass diese doch eher unscheinbare Kasbah empfohlen wird. Aber vermutlich haben wir die ‚echte‘ Kasbah in Teluet einfach nur verpasst. Es beschwert sich aber niemand, und es scheint auch für keinen wichtig zu sein.

Mittlerweile ändert sich die Landschaft sichtbar. Die kargen Stein- und Felsgebiete sind einer halbwegs bewachsenen Hügellandschaft gewichen. Von der Terrasse unserer heutigen Unterkunft schaut man auf sanfte Hänge, die u.a. mit sowas wie Obstbäumen bepflanzt sind. Oder liegt das nur daran, dass wir hier wieder mal etwas wie eine Oase erreicht haben, ohne es allerdings zu merken?

So langsam kommt ein wenig Wehmut auf, denn für die Briten fängt jetzt schon die Rückreise an. Ihr Plan ist, über Marrakech und wohlmöglich die Autobahn zügig wieder nach Tanger zu kommen, weil sie eine feste Fähre für die Überfahrt nach England gebucht haben und noch die komplette Fahrt durch Spanien vor sich haben. Torsten und ich ziehen noch kurz in Erwägung, uns abzusetzen und wieder durch das Atlas-Gebirge gen Norden zu fahren. Aber die Wetteraussichten im Atlas sind immer noch nicht besser, also schließen wir uns an. Immerhin können wir auch noch ein paar Tage Andalusien hinten anhängen …

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Richtung Casablanca

Wir fahren also Donnerstag von Teluet weiter in Richtung Marrakech, über den im Reiseführer angepriesenen Tizi-n-Tichka-Pass. Die Auffahrt ist auch wunderschön, auch wenn ich mich sehr auf die Straße konzentriere und nicht so viel auf die Landschaft. Irgendwo oben machen wir kurz Halt, Torsten sucht mal wieder Aufkleber und kauft auch einen der angepriesenen Mineralsteine. Auf der Abfahrt jedoch kommen wir in eine Nebelwand oder Wolke, in der man oft nicht weiter als 20 m sehen kann. Prickelnd, nicht zu wissen, wo die Straße her geht und wer einem begegnen wird. Ich habe ja immer noch ein Moped vor mir, an dem ich mich orientieren kann. Torsten aber fährt quasi in die weiße Nebelwand hinein. Wir haben also mal wieder nahezu Schritttempo angelegt, aber nach einigen Kilometern kommen wir aus dieser Wolke heraus und können wieder normal fahren. Noch einen letzten Teil der Strecke fühlt man sich wie im wilden Marocco, dann irgendwann zieht nach und nach die Zivilisation ein. Es geht an Marrakech vorbei, nach Norden, an Casablanca vorbei bis zu einem Badeort nördlich von Casablanca. Im Vergleich zum wilden Osten des Landes ist die Landschaft hier eher langweilig. Flach und intensiv landwirtschaftlich genutzt. Es gibt viele Menschen, und offensichtlich ist man hier sehr auf Touristen eingestellt. Die Straßen sind lang und gerade und bestens ausgebaut. Wenn ich nochmal nach Marocco reise, weiss ich jetzt schon, dass ich mir mehr vom Osten und weniger vom Westen ansehen werde.

Als wir am Abend in einem 4-Sterne-Hotel einziehen, stellt sich heraus, dass gegen Mittag – ungefähr zu der Zeit, als wir in der Gegend waren – in Marrakech ein Anschlag verübt worden ist, bei dem es mindestens 14 Tote gegeben hat. Wir müssen alle unbedingt zuhause Bescheid geben, dass es uns gut geht. Diese Nachricht schlägt mir auch irgendwie auf die Stimmung und ich bin froh, dass wir schon auf dem Weg nach Spanien sind. Nicht, dass ich mich hier jetzt unsicher fühlen würde, aber die Leichtigkeit der letzten Tage ist verflogen. Es kommt aber zum Glück keine schlechte Laune auf, und wir genießen den Abend bei einem (oder zwei) Bier an der Poolbar. Leider ist auch schon wieder schlechtes Wetter im Anflug, wie wir den Nachrichten entnehmen. Und auch Südspanien liegt unter einer dichten Wolkendecke … Na, egal.

Zurück nach Spanien

Wir fahren am Freitag weiter nach Tanger, auf dem Weg holt uns das schlechte Wetter wieder ein, und mit einem schlechten Gefühl auf der Straße schalte ich auf den letzten Kilometern einen (oder zwei) Gänge runter und schleiche um die Ecken. Zunächst denke ich, dass nur ich mich so unwohl fühle, denn Torsten und Tom rasen mit dem üblichen Tempo voraus und ich habe sie schnell aus den Augen verloren. Aber auch Jim, Geoff und James hinter mir haben scheinbar kein Bedürfnis, schneller zu fahren. Und da ich ja auch eine Navigation habe und weiß, dass wir zum Hafen wollen, lass ich mir die Zeit, die ich brauche.

Bei der Ausreise gibt’s mal wieder keine echte Schlange, dafür aber Formulare und Bargeldaustausch in alle Richtungen. Wir können die Fährtickets nur bar bezahlen, meine Euros reichen noch so gerade, Torsten muss sich Geld borgen. Und auch zwischen den Briten werden irgendwelche Beträge hin und her gereicht. Mir geht zwischen dem Schalter für die Fährtickets und der Zoll-Bude ein Formular verloren, also gehe ich zu Fuß nochmal los, ein neues besorgen und ausfüllen … aber das könnte man auch als reinen Zeitvertreib betrachten, denn schneller kommen die anderen auch nicht weiter. Dafür haben wir diesmal eine sehr leere Fähre, und unsere Motorräder werden nahezu von einer Seite des Laderaums bis zur anderen verspannt.

Auf der spanischen Seite setzt sich Jim ab und nistet sich für die kommende Nacht in einem Hotel in Gibraltar ein. Die anderen Herren haben noch von der Hinreise ein Hotel direkt in La Linea auf der ‚recommended‘ Liste. Wir fahren dort vor und bekommen auch Zimmer.

La Linea und Gibraltar

An unserem letzten gemeinsamen Abend essen wir noch nett im Hotel, trinken gemeinsam eine letzte Flasche Rotwein. Geoff, Jim und James fahren am Samstag Morgen weiter. Jim hat die Nacht allein in Gibraltar gut getan. Er wirkt aufgeräumter als die letzten Tage, wahrscheinlich konnte er endlich mal wieder ausschlafen und wurde nicht von Toms Schnarchen gestört. Wir verabschieden uns von den dreien, Tom bleibt noch bis zum Nachmittag und wir sehen uns Gibraltar an. Einen Sticker kaufen, einmal durch die Stadt bummeln, zum Mittag echte Fish’n’Chips und eine Fahrt im Doppeldeckerbus … ein britischer Ausklang für einen unbritischen Urlaub. Und mir ist auch gar nicht danach, mir diese Enklave genauer anzusehen. Das bisschen bummeln ist für mich ok, alles andere würde die Eindrücke von Marocco nur übertünchen, und das möchte ich gar nicht.

Was bleibt?

Nachdem Tom uns dann auch verlassen hat, bleiben wir noch eine weitere Nacht in La Linea, fahren am Sonntag (mal wieder mit Regenwetter) in Richtung Granada. Leider ist auch hier das Wetter wieder schlecht, also haben wir keine Chance auf eine schöne Tour durch die Sierra Nevada. Also suchen wir uns nur ein Hotel, fahren tags drauf zu unserem Auto, lassen uns noch zu einem weiteren Tag in Spanien hinreißen (Ronda bei leichtem Regen), geben dann aber auf, packen und machen uns am Mittwoch auf den Weg nach Hause. Voll mit Geschichten, Bildern und anderen Erinnerungen an diesen lächerlich nassen Urlaub in Marocco.

In Buchdorf scheint schon die ganze Zeit die Sonne! Ha-ha. Zuerst wird das Moped geputzt, sonst ist es sicher ganz schnell von Unkraut überwuchert, bei dem ganzen Staub und Dreck, den ich mit mir rumfahre!! Torsten behandelt dann auch noch die Macken ein wenig, so dass mein kleines Eisenschwein jetzt wenigstens nicht rosten kann. Und in Marocco und Spanien scheint jetzt auch wieder die Sonne. Ha-ha.

Auf unserer Flucht vor dem Regenwetter haben wir aber auch eine Menge ‚Sehenswürdigkeiten‘ nicht (genauer) sehen können: einen Sukh, ein Hamam, eine Stadt, eine echte Sanddüne, …. Ich glaub, wir müssen da nochmal hin und das nachholen!

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